Dörentrup-Hillentrup. Als das Dorfprojekt „Lippe hautnah" von LZ und Radio Lippe Station in Hillentrup machte, entwickelte sich ein kleines Streitgespräch: „Die Jugend wandert ab", konstatierte Philipp Antonius Müller – es gebe keine Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort. „Die kommen nicht zurück", sagte der Vorsitzende der Senioren-Union. Hillentrup drohe zu überaltern. Doch es regte sich Widerspruch.
Ein Dorf droht zu überaltern. Oder nicht?

Etwa von Silke Schirrmacher. „Viele junge Familien sind zurückgekommen", entgegnete die 33-jährige Mutter. Die schöne Lage des Dorfes, die nahe Grundschule und Kita, die schnell erreichbaren Einkaufsmöglichkeiten: Das habe viele angezogen.
Wer von beiden hat recht? „Beide", sagt Halke Lorenzen vom Büro für Orts- und Landespflege in Blomberg-Istrup. Er hat sich mit der Frage des demografischen Wandels beschäftigt, auch in Hillentrup. Die Bevölkerungszahlen gehen zurück, viele junge Leute ziehen in die Städte – „ein hoher Verlust für den ländlichen Raum", stellt Lorenzen fest.
Junge Leute kommen zurück
Doch die jungen Leute kämen zurück, sagt Lorenzen – wenn die Bedingungen stimmen. Wer in der Jugend im Dorf positive Erfahrungen gemacht habe – sei es in Kindergarten, Schule oder Vereinen – und wer noch Kontakte habe, bei dem seien die Voraussetzungen da,. Deshalb sei es wichtig, heute fürs Morgen zu arbeiten.

Leerstände, Überalterung – das gibt es auch in Hillentrup. Auch wenn es das Dorf vielleicht nicht so stark trifft wie andere Orte, auch dank der Nähe zu Lemgo. Martin Grenner, Vorsitzender des Heimatvereins „Nachbarschaft Hillentrup", weiß zwar, dass auch in seinem Verein mehr als 80 Prozent der knapp 200 Mitglieder 60 oder älter sind. „Aber Hillentrup wird in 20, 30 Jahren nicht das Dorf der Alten sein", glaubt er. Schon allein, weil es in der Nähe Arbeitsplätze gebe und sich junge Leute wohlfühlten.
Mit Angeboten Bindung schaffen
Da spiele die Arbeit des Jugendtreffs „Stay In" der reformierten Kirchengemeinde oder der Jugendfeuerwehr eine wichtige Rolle, um eine Bindung an den Ort zu schaffen. Als weiteren Baustein sieht er die Idee eines Dorfgemeinschaftshauses. Auch wenn für den Heimatverein derzeit die Aufwertung der Grillhütte als Treffpunkt höchste Priorität habe: „Das Projekt ist noch nicht aus den Köpfen."

Die Angebote der Gemeinde Dörentrup für junge Familien – von der Grundschule im nahen Zentrum über den Offenen Ganztag bis zum Freibad – nennt Bürgermeister Friedrich Ehlert als unverzichtbare Bausteine für Zukunftsfestigkeit. Er stellt fest: „Natürlich haben wir ein Demografieproblem." Aber darauf gebe es keine einfache Antwort. Leerstände, städtebauliche Missstände – die gebe es in Hillentrup weniger, und auch Planer Lorenzen attestiert dem Dorf, ein „attraktiver Wohnstandort" zu sein. Ein Programm wie „Jung kauft Alt", bei dem die Kommune Zuschüsse für den Kauf von älteren Gebäuden gibt, hält Ehlert allerdings nicht für den richtigen Weg. Da gebe es eher Mitnahmeeffekte.
Toleranz für Neues
Die Verwaltung habe dagegen auch in anderen Ortsteilen leerstehende Gebäude gekauft, sie abgerissen und die Grundstücke verkauft. Aktuell gebe es Gespräche mit Eigentümern für weitere Wohnbau-Flächen in Zentrumsnähe.
In Bezug auf die Rückkehr Junger kommt es für Ehlert darauf an, was sie an ihre Heimatgemeinde bindet. „Eine intakte Dorfgemeinschaft, lebendige Vereine und eine gewisse Grundtoleranz gegenüber Neuem" nennt Planer Lorenzen wichtige Punkte gegen das Dörfersterben. Damit ist Hillentrup nach dem Urteil vieler Bürger gut gerüstet.
Dörentrup wird schrumpfen
Die Daten der Statistiker sprechen eine deutliche Sprache: Von 2011 bis 2015 sind jährlich im Schnitt 239 Unter-30-Jährige zugezogen, aber 273 weggezogen – macht einen Wanderungsverlust von 34 jungen Bewohnern pro Jahr. Das hat der Landesbetrieb „Information und Technik NRW" ausgerechnet. Allerdings beziehen sich die Daten auf ganz Dörentrup – spezielle Zahlen fürs Dorf Hillentrup liegen nicht vor.
Dessen geografische Eingrenzung ist ohnehin etwas schwierig, umfasst die Gemarkung Hillentrup doch auch das Dörentruper Zentrum, Spork und die Siedlung Neuenkamp. Auf Hillentruper Gebiet leben nach Angaben der Gemeindeverwaltung 3126 Menschen, in ganz Dörentrup sind es 7970 (Stand: Ende 2015).
Bis 2040 wird die Zahl nach den Berechnungen auf 6605 zurückgehen. Von ihnen werden dann laut Prognose 14 Prozent jünger als 18 sein (zum Vergleich: Ende 2015 waren es 17 Prozent). Die 18- bis 64-Jährigen sind dann mit 52 Prozent weiterhin die größte Gruppe (2015: 62 Prozent). Doch ihre Zahl geht zurück. Im Gegensatz zu den Älteren: Ihr Anteil steigt von 21 Prozent im Jahr 2015 auf 34 Prozent.
Ob es aber wirklich so kommt – daran hat beispielsweise Planer Halke Lorenzen seine Zweifel.

Er weist etwa auf die Zuwanderung hin, die die demografische Entwicklung beeinflusse. Und Bürgermeister Friedrich Ehlert weiß zu berichten, dass die Dörentruper Grundschule mit ihren heute zwei Standorten vor 10, 15 Jahren eine große fünfzügige Schule war – heute sei sie „eine kleine dreizügige". Allerdings: „Unsere Kinderzahlen sind mit 60 pro Jahr stabil." Und die Gemeinde plane sogar, einen neuen Kindergarten zu bauen.
Viele Geschäfte haben aufgegeben
Einkaufen in Hillentrup – Martin Grenner hat miterlebt, wie die Zahl der Geschäfte abgenommen hat und nahezu auf null ging. Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre sei an der Hauptstraße in fast jedem zweiten Haus ein Laden gewesen – Schuster, Schreibwaren, Textilien, Lebensmittel. „Da kaufte man alles in Hillentrup ein", sagt der Vorsitzende des Heimatvereins „Nachbarschaft Hillentrup".
Nach den Daten von Halke Lorenzen vom Istruper Büro für Orts- und Landespflege gab es auch 1989 im Ortskern noch einen Bäcker, ein Lebensmittelgeschäft, zwei Gaststätten, ein Textilgeschäft, eine Lottoannahmestelle, einen Schlosser, einen Schuster, ein Versicherungsbüro und einen Antiquitätenhändler.
Davon geblieben sind eine Gaststätte, ein Blumengeschäft und ein Antiquitätenhändler. Eine Entwicklung, wie es sie in den allermeisten Dörfern gegeben hat. Insbesondere Ältere bemängeln denn auch die fehlenden Einkaufsmöglichkeiten im Ortskern. Allerdings: Auf breiter Front sind aus Hillentruper keine Klagen über den Niedergang des kleinflächigen Gewerbes zu hören, denn anderthalb bis zwei Kilometer entfernt hat sich das Dörentruper Zentrum entwickelt – mit Einkaufsmöglichkeiten und allerhand Infrastruktur von der Bank über die Apotheke bis zum Seniorenheim. Und: „Auch in einer Großstadt wird man mal zwei Kilometer bis zum nächsten Laden fahren müssen", ordnet Martin Grenner die Lage ein.
Friedrich Ehlert sieht das ähnlich. Wer in Hillentrup einen Laden eröffnen wolle, „der hat von der ersten Sekunde an meine volle Unterstützung", sagt der Bürgermeister. Nur für sogenannten großflächigen Einzelhandel könne es dort keine Genehmigung geben.