Lügde. In der Osterräderstadt macht jetzt eine Besonderheit auf sich aufmerksam. Die Idee dazu hatte im Dezember 2015 das Lügder Ratsmitglied Hubert Klenner (FWG). Es handelt sich um so genannte Mitfahrerbänke. Sechs dieser in den blau-roten Stadtfarben optisch auffällig gestalteten Sitzgelegenheiten sind jetzt an exponierten Stellen aufgestellt worden.
Am Straßenrand stehen und mit dem nach oben gestreckten Daumen Autofahrer um Mitfahrgelegenheit zu bitten? Das ist wohl eher jungen Menschen, die per Anhalter in der ganzen Welt unterwegs sind, vorbehalten. Eine deutlich bequemere Methode vor allem auch für ältere Menschen im ländlichen Raum stellen deshalb die Mitfahrerbänke dar – wenn man so will, die Seniorenvariante des Trampens.
Sind Sie schon mal getrampt?
„Wer auf dieser Bank sitzt, macht deutlich, dass er beziehungsweise sie mitgenommen werden möchte", erläuterte Hubert Klenner damals und sah dafür vor allem eine Verbesserung der Beförderungssituation in der Lügder Südstadt, die vom Bürgerbus nicht angefahren werden darf. „Diese Mitfahrerbänke sollen zur Mobilisierung auf dem Land, sowohl zur Unterstützung der Senioren, als auch zur Erhöhung der Mobilität für Jugendliche dienen."
Das Verfahren ist ganz einfach: Wer keinen Führerschein, kein eigenes Auto oder auch keine passende Busverbindung zur Verfügung hat, der setzt sich auf eine der Mitfahrbänke in die gewünschte Richtung und signalisiert damit seinen Wunsch, mitgenommen zu werden. Autofahrer, die die Bank passieren, sehen die oder den Interessenten und können entscheiden, ob sie die betreffende Person mitfahren lassen wollen. Fahrkostenbeteiligungen werden nicht gefordert oder angeboten.
Bei der Auswahl achtete die Stadt Lügde darauf, geeignete Standorte zu wählen, die durch eine Straßenlaterne gut ausgeleuchtet und auch von der Straße aus gut einsehbar sein mussten. Weiterhin sollten die Autos dort gefahrlos halten können. „Das ist wichtig, damit jeder entscheiden kann, ob und bei wem er mitfährt", sagt die Verkehrspsychologin Ursula Berrens vom Caritasverband Westeifel im rheinland-pfälzischen Bitburg. Alle diese Kriterien trafen in Lügde, Elbrinxen, Rischenau und Sabbenhausen an insgesamt sechs Standorten zu.
In einigen Orten in Deutschland gibt es diese Mitfahrbänke bereits. In Lippe ist Lügde allerdings die erste Kommune, die dieses Angebot vorhält, das auf dem Prinzip „Teilen und einander helfen" beruht. Die Bank ist nicht als Massenverkehrsmittel gedacht, sondern eine kleine Ergänzung, die eine Lücke in der Versorgung der Landbevölkerung schließt. Die Erfahrungen aus anderen Orten (zum Beispiel der Eifel) haben gezeigt, dass sich diese Mitfahrerbänke sogar zu einem altersübergreifenden Treffpunkt gemausert haben, an denen spontan Fahrgemeinschaften entstehen.
„Meist werden die Wartenden nach wenigen Minuten mitgenommen. Das funktioniert, weil in den Orten auch jeder jeden vom Sehen kennt", weiß Ursula Berrens. Durch Gespräche wurde erreicht, dass in Lügde insgesamt drei Mitfahrbänke gestiftet und auch in Rischenau und Sabbenhausen Mitfahrerbänke bereitgestellt wurden. Allerdings zeigen die Erfahrungen auch, dass nicht jeder gleich schnell von der Mitfahrbank mitkommt. Prinzipiell werde das Angebot zwar gut angenommen, mehr in den Sommermonaten als im Winter, heißt es. Eltern aber hätten beispielsweise auch mehr Bedenken und fahren ihre Kinder lieber selber. Zudem klappt die Nachbarschaftshilfe auf den Dörfern noch gut, wenn Nachbarn einander mit dem Wagen mitnehmen.
Idee findet immer mehr Anhänger
Das Charmante an dem Angebot ist für die Verkehrspsychologin Ursula Berrens, „dass die Mitfahrbank niemals eine Fehlinvestition sein kann". Eine Lösung aller Mobilitätsprobleme im ländlichen Raum sei sie allerdings auch nicht. „Sie ist eine kleine Ergänzung, die eine Lücke schließt – nicht mehr und nicht weniger." Alternative Mobilitätskonzepte wie das Nachbarschaftsauto oder ein kostenloser Lastenradverleih finden in Deutschland dennoch immer mehr Anhänger.
Trampen für Senioren: Hier gibt es bereits Mitfahrbänke
von Michael Evers (dpa)
Bitburg/Lügde. Warum trampen, wenn es auch bequemer geht: Immer mehr kleine Orte stellen speziell gekennzeichnete Bänke auf, wo man auf eine Mitfahrgelegenheit warten kann. Aber halten Autofahrer auch wirklich an?
Salopp gesagt sind Mitfahrbänke so etwas wie die Seniorenvariante des alten Trampens: Statt mit erhobenem Daumen am Straßenrand zu stehen, können dort vor allem ältere Menschen auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Bundesweit greift der Trend der speziell gekennzeichneten Sitzbänke da um sich, wo der Bus nur noch selten fährt - oder gar nicht mehr.
So wurde auch bereits Anfang 2016 in Lügde im Kreis Lippe darüber nachgedacht. Aber nicht überall lassen sich die Menschen auf diese alternativen Haltestellen ein.
Mit Klappschildern statt auf einem Stück Karton kann die neue Generation der Tramper an den Bänken oft anzeigen, wo es hingehen soll. Statt Paris, Berlin oder München ist dies meist das Einkaufszentrum, der Bahnhof oder der Nachbarort.
Eigentlich entstand die Idee per Zufall, erzählt Ursula Berrens vom Caritasverband Westeifel im rheinland-pfälzischen Bitburg. Im Nachbarort Speicher war sie mit einem Projekt zur Verbesserung der Situation alter Menschen beschäftigt und wollte mit einer Kollegin Standorte für neue Bänke erkunden. «In dieser Situation kam mir die Idee, die Bänke auch für Mitfahrgelegenheiten zu nutzen.»
Im August 2014 ging es los. «Das Charmante an der Mitfahrbank ist, dass die Bank an sich niemals eine Fehlinvestition sein kann», erklärt Berrens. Eine Lösung aller Mobilitätsprobleme im ländlichen Raum sei sie allerdings auch nicht.
Die Erfahrung zeige, dass nicht jeder gleich schnell wegkomme von der Mitfahrbank. Zwei ältere Frauen zum Beispiel warteten eine ganze Zeit vergeblich und machten sich dann zu Fuß auf den Weg, erzählt Berrens. Als direkt danach zwei junge Mädchen die Bank ansteuerten, stoppten gleich zwei Wagen. Schwerer hatte es auch ein Mann, der mit einer offenen Büchse Bier auf eine Mitfahrmöglichkeit wartete. Die Mitfahrbank sei kein Massenverkehrsmittel, so Berrens. Sie führe aber mitunter dazu, dass sich Menschen für die nächste gemeinsame Fahrt verabreden.
Kopiert wurde die Mitfahrbank bereits in Kleinnaundorf in der Sächsischen Schweiz: Hier fiel eine Buslinie weg. Das trieb den Ortschaftsrat zur Suche nach anderen Verkehrsmöglichkeiten. Im Internet stieß er auf das Vorbild aus Rheinland-Pfalz. Vier grüne Bänke mit der Kennzeichnung «Mitfahrbank» stehen jetzt an den Bushaltestellen in Fahrtrichtung zu den Einkaufsmöglichkeiten.
«Prinzipiell wird das gut angenommen, mehr in den Sommermonaten als im Winter», sagt Ortsvorsteher Thomas Käfer. Gerade ältere Leute, bei denen es nicht auf zehn Minuten ankomme, steuerten die vom Heimatverein ehrenamtlich restaurierten Bänke an.
Im 400-Einwohner-Ort Bünsdorf in Schleswig-Holstein sollen die Bänke den Anschluss nach Rendsburg und Eckernförde herstellen und den nur an zwei Wochentagen fahrenden Marktbus ergänzen. Wie Bürgermeister Jens Kühne sagt, kommt das Angebot - das auch auf Jugendliche abzielt - bisher aber nicht so gut an. «Die Eltern haben Bedenken und fahren ihre Kinder doch lieber selber.» Auch Senioren setzten sich nur selten auf die Bank. Der Bürgermeister will die Entwicklung abwarten. «Die Bank musste sowieso erneuert werden.»
Auch im niedersächsischen Asel im Kreis Hildesheim wurde eine bestehende Bank zur Mitfahrbank umfunktioniert. Nur will sie kaum einer nutzen. «Das läuft sehr schlecht an», meint Ortsbürgermeisterin Ellen Krone. «Der Bedarf ist nicht so da.» Harsum, der nächste Ort, sei nur rund einen Kilometer entfernt und leicht per Rad erreichbar. Auch würden Nachbarn einander mit dem Wagen mitnehmen. «Im Frühjahr wollen wir noch einmal für die Bank werben.»
Erfolgreich oder nicht, die Mitfahrbank findet immer mehr Nachahmer. Nicht weit von Asel steht in Osterwald (Kreis Hameln-Pyrmont) ein weiteres Projekt in den Startlöchern und hat auch in Lügde im Kreis Lippe den Ratsherrn Hubert Klenner auf den Plan gerufen. «Lügde ist eine Flächengemeinde, die weiteste Entfernung zwischen den Ortsteilen beträgt 20 Kilometer und der Nahverkehr ist ausgedünnt.» Auf das Konzept der Mitfahrbank gestoßen sei der Rat bei der Suche nach Wegen, die Ortsteile besser miteinander zu verbinden.
Auf solch zufällige Mitfahrgelegenheiten setzt das Forschungsprojekt «digitale Dörfer» des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (Iese) in Kaiserslautern dagegen nicht. Es konzentriert sich stattdessen auf eine digitale Vernetzung auf dem Land. Wege, die Menschen ohnehin zurücklegen, sollen über eine App sichtbar und für andere nutzbar werden, als Mitfahrgelegenheit oder zum Transport von Waren. Die Bäcker oder Apotheker, die regelmäßig eine Strecke fahren, könnten als Chauffeure für autolose Nachbarn dienen. Das Ziel: Der ländliche Raum soll attraktiv bleiben.