Transidentität: Wenn Papa plötzlich eine Frau wird

Detmold . &bdquo;Das kann nicht sein, habe ich immer wieder gedacht", sagt Carina P. ( Name geändert ), schüttelt irritiert den Kopf und lächelt dabei. Paradoxe Signale. Paradox wie ihre Situation. &bdquo;Nein, es kann nicht sein", wiederholt sie. &bdquo;Das habe ich immer gedacht. Warum trifft das ausgerechnet mich?" Aber es ist so. Das Schicksal hat weit ausgeholt und die 20-Jährige voll erwischt.

So fühlt es sich für Carina zumindest immer noch an – wie ein harter Schlag. Sie redet von Trauer, Wut, Verleugnung und ein wenig von Akzeptanz. Was sie aufzählt, sind Trauerphasen. Als wäre Jemand gestorben. &bdquo;Ja", sagt sie, nickt und spielt mit ihren Fingerknöcheln. So ähnlich sei das, blickt dann auf und bestätigt: &bdquo;Papa ist halt nicht mehr da. Da ist jetzt jemand anders."

Und zwar Rita (Name geändert). Denn Carinas Papa ist jetzt eine Frau. Für ihn, beziehungsweise sie, kam diese Entwicklung schrittweise, entwickelte sich über Jahre hinweg. Carina hingegen traf es letztes Jahr von Heute auf Morgen, als ihr Papa ihr eröffnete, dass er ab jetzt eine Frau sein wird, Rita heißt und Brüste bekommt. &bdquo;Ich habe gedacht, ich bin im falschen Film", erzählt die Studentin.

Aus Papa wurde Rita &bdquo;Ich habe erst gedacht, ich habe einen Albtraum. Er hat eine Midlife-Crisis oder so. Es gab überhaupt keine Anzeichen, keinerlei Ahnungen, dass da etwas mit Papa sein könnte." Aber es war etwas mit ihm, und zwar schon seit rund zehn Jahren. Gemerkt hat das keiner, er selbst aber schon.

&bdquo;Und", sagt Carina, &bdquo;ich habe überhaupt nicht gewusst, wie ich damit umgehen soll. Es gibt viele Infos zum Thema Transidentität und für direkt Betroffene. Aber nicht für Angehörige. Niemand kann nachvollziehen, wie es einem geht." Nur in der Familie könne man das. Und deswegen möchte sie darüber öffentlich sprechen: Damit es ein Thema wird, damit andere, denen es geht wie ihr, etwas Hilfe finden können. Außerdem will sie ihrem Papa helfen, akzeptiert zu werden.

Seinen Segen, an die Öffentlichkeit zu gehen, hat Carina – beziehungsweise Ritas Segen. Deren Lebensgefährtin, die von Ritas Wandel ebenfalls seit einigen Jahren weiß. Homosexuell ist Rita übrigens nicht – sie fühlt sich nur im falschen Körper geboren. Das sei der große Unterschied zu Transsexuellen und Transvestiten: Die Identität habe sich geändert, aber nicht die Sexualität, weswegen eben auch von Transidentiät (siehe Kasten) gesprochen werde. &bdquo;Rita", sagt Carina, &bdquo;findet es übrigens richtig gut, dass ich darüber sprechen möchte und unterstützt mich."

Die Veränderung zur Frau erfolgte bei Rita in den vergangenen Monaten schrittweise, berichtet Carina. &bdquo;Papa rasierte sich den Körper, es kamen eine weibliche Frisur und Schminke dazu, Damenkleidung. Wenn er durch die Stadt geht, erkennt niemand, dass er biologisch noch ein Mann ist. Er geht auch auf die Damentoilette und hat nach der Hormonbehandlung nun Brüste." Das sei merkwürdig, wenn man den Busen bei Umarmungen spüre statt der starken Papa-Brust.

Radikaler Rollenwechsel &bdquo;Was sich für mich komplett verändert hat", schildert die junge Frau, &bdquo;ist seine Rolle. Er ist ja immer noch mein Vater und hat eine gewisse Paparolle, aber eine komplett neue. Alles Männliche gibt es nun nicht mehr." Dabei liebe sie ihn beziehungsweise sie genau wie vorher. Trotzdem ist seit Ritas Coming Out letztes Jahr alles anders.

&bdquo;Es ist", sagt Carina, &bdquo;als ob ein neues Buch beginnt. Wie nach einem Flugzeugabsturz. Alles, was war, wird nie wieder so sein wie zuvor. Das mich das trifft – eine von Millionen, damit rechnet man beim besten Willen nicht."

Was im Umbruch ist, wüssten noch nicht viele – deswegen möchte Carina auch anonym bleiben, Rita ebenfalls. Nur der engste Familien- und Bekanntenkreis ist bisher im Bild. Und das wird die nächste große Hürde: Das neue Leben öffentlich leben.

Rückhalt, sagt Carina, finde sie eigentlich nur in der Familie – weil alle in einer ähnlichen Situation stecken wie sie. Zum Beispiel die Oma, die ja einen Sohn gebar und nun stattdessen eine Tochter habe. &bdquo;Es ist einfach zu außergewöhnlich. Auch Freunde können das schlecht nachvollziehen und sich höchstens in meine Lage hineindenken. Papa war halt immer der coole Papa – und jetzt ist er Rita." Carina zuckt mit den Schultern.

&bdquo;Ich möchte immer wieder meinen Papa zurück" Mit Psychologen habe sie auch darüber gesprochen – einfach, um zu verstehen, was da mit ihrem Vater passiere, wie das überhaupt alles so sei mit dem Transgender und wie man damit umgehen könne. Es sei schwierig und bleibe sicherlich ein Leben lang so.

&bdquo;Als ich ihn zum ersten Mal als Frau sah, hat es mich echt umgehauen", sagt Carina. Und sie müsse sich daran gewöhnen, dass da nun Rita die Tür öffnet, wenn sie zu Besuch kommt. &bdquo;Ich möchte immer wieder meinen Papa zurück", ergänzt sie und schüttelt leicht den Kopf, &bdquo;aber er kommt nicht wieder."

Mittlerweile könne sie sich mit dieser Tatsache ein wenig besser abfinden. &bdquo;Wir machen auch schon mal Späße – über Fingernägel zum Beispiel", erklärt Carina. &bdquo;Wir lachen. Und ich wünsche mir wirklich sehr, dass Rita nicht schief angeschaut und so akzeptiert wird, wie sie ist – auch wenn es mir selbst ja noch schwer fällt. Aber für Außenstehende ist es vielleicht noch leichter."

Es gebe ja viele Menschen mit einer Transidentität, von 21.000 spreche man in Deutschland, die Dunkelziffer liege wohl bei 80.000 Menschen oder mehr. Die Offenheit und der Umgang mit ihnen ändere sich zum Positiven. Bei ihr selbst, da springen die Gefühle immer noch hin und her. Die Toleranz sei inzwischen da, mit der Akzeptanz der neuen Rolle von Rita werde es gewiss noch dauern.

Drei Dinge allerdings würden aber in Zukunft stets gleich bleiben: &bdquo;Ich werde ihn immer lieb haben. Er bleibt immer mein Vater", sagt Carina und lächelt, &bdquo;und ich werde auf keinen Fall jemals Mama zu ihm sagen."

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